Im neuen Rockhard (seit gestern im Handel erhältlich) gibt es eine interessantes Interview mit James Hetfiel. Hier einige Auszüge:
In einem beeindruckend offenen und intimen Face-to-face-Interview nimmt METALLICA-Sänger James Hetfield Stellung zum kontroversen Kinofilm, der neuen Band-Biografie, den Grabenkämpfen mit seinen (Ex-)Kollegen, seiner Alkoholsucht und dem neuen Leben nach dem Entzug.
James, der Grund für diese Titelstory ist die Europatour, die ihr mit Slipknot und den Lostprophets absolviert habt. So gut waren eure Shows schon lange nicht mehr. Ihr habt uns echt weggeblasen.
»Danke für die Blumen. Möchtest du ein „stille Wasser“? (Stellt eine Flasche Wasser auf den Tisch und lehnt sich in seinem Stuhl zurück.) Es war wirklich eine super Tour für uns. Vom Gefühl her wahrscheinlich die beste, die wir je bei euch gespielt haben. Ich habe für Europa früher immer eine Art Hassliebe empfunden, was größtenteils meiner Alkoholsucht und dem Umstand, so lange von zu Hause weg zu sein, zuzuschreiben war. Diesmal waren wir sieben Wochen bei euch unterwegs, und ich hatte keinerlei Probleme. Es hat gut geklappt.«
Lass uns über den Dokumentarfilm „Some Kind Of Monster“ reden.
»Ich wollte eigentlich immer mal einen wirklich witzigen METALLICA-Film machen, in der Tradition von „Yellow Submarine“ von den Beatles. Auf so eine Comedynummer hätte ich wirklich Lust. Es ist doch super, wenn man versucht zu schauspielern, aber es gar nicht richtig hinkriegt. Da hat auch das Publikum seinen Spaß. Allerdings muss ich gestehen, dass „Some Kind Of Monster“ das ziemliche Gegenteil davon geworden ist, hahaha. Es gibt zwar witzige Momente in dem Film, aber manche Passagen, über die die Leute lachen werden, sind für mich extrem unangenehm. Aber so ist das Leben. Was anfangs als reines Marketinginstrument gedacht war, entwickelte sich im Zuge unserer Streitigkeiten und des allgemeinen Durcheinanders bezüglich unserer Zukunft schnell zu einem echten Einblick in das Innerste der Band. Man kann sehen, wie unsere Schutzmechanismen nach und nach zu bröckeln beginnen.«
In dem Film gibt es eine Szene, in der sich Lars und Kirk über dich unterhalten, während du deine Entziehungskur absolvierst. Als du diese Szene erstmals zu Gesicht bekommen hast, musst du dich doch wie ein herausgewählter „Big Brother“-Teilnehmer gefühlt haben, der sieht, was hinter seinem Rücken alles abgegangen ist, oder?
»Ich habe natürlich sofort versucht, mich zu verteidigen. Dieser Reflex setzt unweigerlich ein. Im nächsten Schritt wollte ich sie dann auf Dinge aufmerksam machen, die ich auch nicht toll fand, aber so funktioniert so was natürlich nicht. Ich habe mich zurückgenommen und über ihre damalige Situation nachgedacht. Lars und Kirk wussten nicht, wie es mit METALLICA weitergeht. Sie hatten Angst. Jason hatte die Band gerade verlassen, ich klinkte mich aus und machte eine Entziehungskur. Klar, dass sie ziemlich ratlos waren. Gerade für jemanden wie Lars, der - genau wie ich - ein Kontrollfreak ist und immer wissen will, was abgeht, oder an Entscheidungen beteiligt sein muss, war das mit Sicherheit eine unerträgliche Situation. Die Karriere der Band stand auf dem Spiel, und er hatte keine Möglichkeit, diese Entscheidung zu beeinflussen. Das ist verdammt hart, und niemand versteht das besser als ich. Aber um wirklich gesund zu werden, konnte ich mich um solche Dinge nicht mehr kümmern. Ich musste selbst loslassen und mich voll und ganz auf mich selbst konzentrieren. Hätte ich das nicht gemacht, wäre meine Therapie nicht erfolgreich verlaufen.«
Wie hat eigentlich deine Familie reagiert, als du dich dazu entschieden hast, eine Entziehungskur anzutreten?
»Sie waren von meinem Verhalten ziemlich angepisst. Meine Frau hat ständig darauf gedrängt, dass ich eine Entziehungskur machen soll. Der Punkt war einfach der: Ich habe mich zu Hause genauso benommen wie auf Tour und konnte dieses Verhaltensmuster nicht mehr ablegen. Wenn ich aufgestanden bin, hatte ich einfach keine Lust, mich mit meiner Familie zu beschäftigen, und das hat meine Frau und die Kinder tief verletzt. Francesca ist eine sehr starke Person, und irgendwann sagte sie: „Raus aus dem Haus, du hast einen schlechten Einfluss auf die Kinder. Sieh zu, dass du dein Leben in Ordnung bringst. Bis dahin will ich dich nicht mehr sehen.“ Als wir uns trennten, brach meine Welt wie ein Kartenhaus zusammen. Ich habe dann lange gebraucht, um mir einzugestehen, dass ich wirklich eine Entziehungskur machen muss. Natürlich habe ich mir ständig gesagt: Das brauchst du nicht. So was machen nur Typen, die richtig abgefuckt sind. Mir muss niemand helfen - ich bin der Sänger von METALLICA!«
In dem Buch „The Good, The Mad, And The Ugly“ kommentiert ihr rückblickend eure eigenen Interviews. Es gibt da einen Part, wo du schreibst: „Kann dieser Hetfield-Typ nicht einmal ernst sein?“ Zynismus war ein wichtiger Teil deiner Abwehrmechanismen, oder?
»Ja, den Sarkasmus habe ich sehr gut beherrscht. Und Sarkasmus treibt Leute in den Wahnsinn, denn man bekommt nie eine ehrliche Antwort auf seine Fragen. Diesen Wesenszug habe ich von meinem Vater geerbt; er war ständig sarkastisch. Wenn ich ihn als kleines Kind beispielsweise gefragt habe, warum Kühe unterschiedliche Farben haben, kam er mit einer völlig wilden Erklärung an. Vielleicht wollte er mir gegenüber einfach nicht zugeben, dass er die Antwort nicht wusste, aber er hat sich immer irgendwas zurechtgelegt. Wenn meine Kinder mich heute etwas fragen, das ich nicht weiß, versuche ich, es zusammen mit ihnen herauszufinden und nicht in das alte Verhaltensmuster zurückzufallen.«