Hildesheim (dpa) - Das Landgericht Hildesheim hat einen 15-jährigen Jungen wegen Doppelmordes an seinen Großeltern zu neun Jahren Haft verurteilt. Richter Volker Heckemüller sprach am Mittwoch von einer «abscheulichen und besonders brutalen Tat».
Der Hauptschüler aus dem niedersächsischen Lamspringe hatte im März dieses Jahres aus Rache seinem verhassten Großvater und seiner Großmutter die Kehlen durchgeschnitten. Der 69 Jahre alte Rentner soll die elfjährige Schwester des Jungen sexuell missbraucht haben. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft hat der Enkel seine Großeltern regelrecht «hingerichtet».
Strafmildernd wirkte sich das umfassende Geständnis des Angeklagten aus. Verteidiger Raban Funk sagte, der Hauptschüler sei mit dem Urteil zufrieden: «Ihm ist ein Stein vom Herzen gefallen.» Der Schüler sagte zum Ende des nicht öffentlichen Prozesses, er bereue die Tat. «Es tut mir leid, was ich getan habe.» Das Gericht entsprach mit dem Urteil der Forderung der Staatsanwaltschaft. Als Höchststrafe wären nach dem Jugendstrafrecht zehn Jahre Haft möglich gewesen.
Die Freundin (18 ) und der Cousin (17) des 15-Jährigen erhielten Bewährungsstrafen von zwei Jahren und einem Jahr. Sie hatten von den Mordplänen gewusst, diese aber nicht angezeigt. Der Enkel hegte nach Angaben der Verteidigung schon lange vor der Tat eine große Abneigung gegen den Großvater. «Es gab nie Liebe, immer nur Vorwürfe», sagte Funk. Der Großvater sei despotisch mit seinem Enkel umgegangen. Mit dem mutmaßlichen sexuellen Missbrauch der Schwester sei dann eine «Schwelle» überschritten worden. Die Staatsanwaltschaft hatte wegen der Missbrauchsvorwürfe ermittelt, die Familie war seitdem tief zerstritten.
Von Rachegedanken getrieben schlich sich der Jugendliche nach Auffassung des Gerichts am Tattag ins Haus der Großeltern. Er schlug den 69 Jahre alten Rentner mit einem selbst gebastelten Baseballschläger aus Eisen nieder. Dann strangulierte er die 65- jährige Großmutter, die auf dem Sofa vor dem Fernseher saß, mit einer Drahtschlinge. Anschließend schnitt er beiden mit einem Brotmesser die Kehlen durch.
Das Hyperaktivitätssyndrom (ADHS), an dem der 15-Jährige leidet, spielte für die Höhe der Strafe keine entscheidende Rolle. Allerdings sei eine verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten wegen der Erkrankung nicht «restlos sicher» auszuschließen, meinte das Gericht. ADHS kann zu Unruhe bis hin zu gesteigerter Aggressivität führen. Der 15-Jährige will in der Jugendhaftanstalt seinen Hauptschulabschluss fertig machen und dann eine Ausbildung beginnen.
© dpa - Meldung vom 15.09.2004 16:17 Uhr