spiegel.de Szenen einer Ehe | SKOM Review

  • METALLICA-DOKUMENTATION


    Szenen einer Ehe


    Von Ulf Lippitz


    Einer schreit, einer grollt, einer schweigt: Vor den Aufnahmen zu ihrem letzten Album steckte die Rockband Metallica in einer schweren Identitätskrise: Die erfolgsverwöhnten Musiker mussten sich einer Gruppentherapie unterziehen. Das Doku-Drama "Some Kind of Monster" zeigt die sanfte Selbstfindung der harten Rocker.



    Filmstar/Filmwelt
    Rockband Metallica (Drummer Ulrich, Sänger Hetfield, Gitarrist Hammett, v.l.): Das Biest kippt um
    Lars Ulrich streckt seinen Arm aus, bohrt Luftlöcher in Richtung James Hetfield und schnappt nach Luft. Ulrich ist Schlagzeuger bei der Heavy-Metal-Band Metallica, Hetfield deren Sänger. "Mir macht es keinen Spaß, mit dir zusammen in einem Raum Musik zu machen", brüllt Ulrich. Lange Pause. "Ich bin froh, dass du das gesagt hast", antwortet Hetfield ruhig, aber sichtlich zerknirscht. Gitarrist Kirk Hammett guckt gequält zu Boden.


    Das Biest Metallica kippt um - und die Filmemacher Joe Berlinger und Bruce Sinofsky halten ihre Kameras drauf. Ganz zufällig passierte das: Eigentlich hatte die Plattenfirma das Duo engagiert, einen Promotion-Film zu drehen. Er sollte festhalten, wie die Band ihre neue Platte "St. Anger" in Angriff nimmt. Herausgekommen ist ein Bericht des Beinahe-Scheiterns: Die Rock-Dokumentation "Some Kind of Monster" erzählt, wie eine der erfolgreichsten Rockbands aller Zeiten fast Selbstmord begeht und an den Monster-Egos ihrer Mitglieder zerbricht. Fast drei Jahre lang begleitete das Filmteam die Musiker auf Schritt und Tritt, aus über 1200 Stunden Material - Interviews, Konzertmitschnitten und Alltagsszenen - bastelten sie ihren ungewöhnlichen Film zusammen.


    40.000 Dollar für den Therapeuten



    Er beginnt am 24. April 2001. Metallica haben ein "all-time low" - den absoluten Tiefpunkt - erreicht, wie der Kommentator festhält. Die letzte Studioplatte liegt sechs Jahre zurück, Gerüchte um eine Auflösung kursieren, Bassist Jason Newsted musste gerade die Band verlassen, weil er nebenbei ein weiteres Projekt verfolgte. Das verbliebene Trio mietet sich in der ehemaligen Presidio-Kaserne bei San Francisco ein, um ihr neues Album aufzunehmen. Der langjährige Produzent Bob Rock übernimmt die Rolle des Bassisten.




    Kinostar/Filmwelt
    Metallica mit Therapeut Towle: 40.000 Dollar pro Monat
    Doch die Luft ist raus. Mehr als 90 Millionen Platten haben Metallica verkauft - und darüber vergessen, den Kontakt zueinander aufrechtzuerhalten. Ihr Verhältnis beruht nur noch auf gemeinsamen Verträgen, aber nicht mehr auf einem gemeinsamen Nenner. Das Management wittert die bevorstehende Auflösung der Band und holt den Therapeuten Phil Towle an Bord. Er soll für die stattliche Summe von 40.000 Dollar pro Monat die Spannungen innerhalb der Band kitten. Towle hat bisher erfolgreich mit Profisportlern zusammengearbeitet.


    "Du kannst nicht surfen, wenn du einen Kater hast"



    "Wir sind hier, um zu unserer Intimität zurückzufinden", erklärt Ulrich, als die erste Metallica-Gruppensitzung standesgemäß in einem Luxushotel stattfindet. Kirk Hammett und Bob Rock lauschen teilnahmslos. "Was für eine Intimität?", frotzelt Hetfield. Dass das Leben auf der Überholspur in einer Gruppentherapie enden könnte - so hatte sich der beinharte Frontmann seine Rocker-Karriere sicher nicht vorgestellt. Hetfield flüchtet, anstatt den Gemeinplätzen des Therapeuten Beachtung zu schenken, die auch vom Gummibärchen-Orakel stammen könnten. Zuerst verschwindet der Sänger für Wodkagelage und Bärenjagd in die sibirische Eiswüste, dann mit einem lauten Türenknall in eine Rehabilitationsklinik für Alkoholabhängige. Dauer des Entzuges: ein ganzes Jahr.


    Auch Kirk Hammett schwört den Hektolitern Bier ab, die die Band früher vertilgte. Er sitzt auf seinem Surfbrett und sinniert: "Du kannst nicht surfen, wenn du einen Kater hast." Ulrich gesteht derweil seinem greisen Hippie-Vater, wie toll er ihn findet - während der Senior halb gebückt die beste Stützstellung für einen Wanderstab ausprobiert. So wenig Rock'n'Roll war selten.


    "Nächste Woche ist Therapie"



    Als sich Hetfield, Hammett und Ulrich schließlich doch wieder zusammenraufen, ticken die Uhren bei Metallica anders. Der Sänger ordnet einen strikten Zeitplan an. Die Band dürfe nur von 12 bis 16 Uhr in der Woche an neuem Material arbeiten. Absprachen münden in ungewollt komischen Dialogen. "Nehmen wir nächste Woche die Drums auf?" - "Nächste Woche ist Therapie." Die jedoch ist in ihrer Banalität durchaus erfolgreich. So sehr, dass sich das Trio am Ende kollektiv gegen den Therapeuten stellt - und damit die ersehnte Einigung erzielt.




    Filmstar/Filmwelt
    Drummer Ulrich mit Produzent Bob Rock ( l.): "Nächste Woche ist Therapie"
    Berlinger und Sinofsky nehmen sich viel Zeit für ihren Film, rund zweieinhalb Stunden dauert "Some Kind of Monster", länger als eine durchschnittliche Therapiesitzung, vielleicht auch länger als nötig. Besonders zu Beginn findet der Film nicht sein Thema, wenn er sich nicht um die Zerbrechlichkeit menschlicher Beziehungen, sondern zu sehr um die Vorbereitungen der Platte dreht. Das ist für Laien teils langatmig, teils uninteressant. Die Dokumentation hat ihre besten Momente, wenn sie die Konflikte zeigt - zwischen Sänger und Drummer, zwischen Sänger und Filmemachern, zwischen Band und Therapeut. Wie souverän Metallica auf der Bühne agieren, das gehört im Zweifelsfall zu den üblichen Lobpreisungen auf MTV.


    Zündstoff bot der Film indes auch noch nach dem Start. Gegenüber dem US-Magazin "Time" erklärte Kirk Hammett, dass er mit einigen Szenen unglücklich sei - insbesondere die Übergabe eines Schecks in Höhe von einer Million Dollar an den frisch rekrutierten Bassisten Robert Trujillo rücke die Band in ein schlechtes Licht. Er habe der Verwendung nur zugestimmt, um das Kunstwerk nicht zu zerschnippeln, so der Gitarrist. Der frühere Metallica-Gitarrist Dave Mustaine klagt ebenfalls über den Endschnitt. Von einem dreistündigen Treffen zwischen Towle, Ulrich und ihm seien nur fünf Minuten verwendet worden, beschwerte er sich gegenüber "Time". In der Szene jammert der 1983 gefeuerte Musiker über seinen Rausschmiss. Mustaine gründete anschließend Megadeth und verkaufte 15 Millionen Platten. Von seiner ersten Band ist er trotzdem nie losgekommen: Metallica ist das Monster, das über ihm schwebt. Zum Glück beobachtet der Zuschauer das alles aus sicherer Ferne. In dieser Band mitspielen möchte man nach dem Film jedenfalls nicht mehr.



    --------------------------------------------------------------------------------
    Some Kind of Monster



    USA 2003. Regie: Joe Berlinger, Bruce Sinofsky. Produktion: Radical media, Third Eye Motion Picture Company. Verleih: Kinostar (Filmwelt). Länge: 140 Minuten. Start: 26. August 2004




    http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,315183,00.html

  • Man, ist das ein niederschmetternder Bericht.Da wird ja fast kein gutes Haar an denen gelassen. Die Tatsache, dass sie den Mut aufbrachten sich eben in Therapie etc. zu zeigen scheint keinen zu interressieren. gerade das respektiern ich sehr, wer zeigt schon gerne seine schlechten Eigenschaften!
    Jetzt bin ich erst recht gespannt auf den Film, wenn ich denn mal sehen werde. Aber nicht in Billigversion ;)

  • Zitat

    Original von Akascha
    Man, ist das ein niederschmetternder Bericht.Da wird ja fast kein gutes Haar an denen gelassen. Die Tatsache, dass sie den Mut aufbrachten sich eben in Therapie etc. zu zeigen scheint keinen zu interressieren. gerade das respektiern ich sehr, wer zeigt schon gerne seine schlechten Eigenschaften!
    Jetzt bin ich erst recht gespannt auf den Film, wenn ich denn mal sehen werde. Aber nicht in Billigversion ;)


    Was ein echter Rocker ist, der hat nicht zum Nem Therapeuten zu gehen... :rolleyes:


    Ich denke, die leute, die das geschrieben haben, haben den Film nicht kapiert. Allein schon, das Metallica diesen Film in die Kinos bringen, und dabei auch teilweise recht "intim" werden.

  • Wahrscheinlich gehören die auch noch zu der Sorte, die behaupten sie bräuchten niee eine Therapeuten und würden auch nie hingehen. Aber wenn man halt echt Probleme hat mit sich und der Welt, wieso nicht. Ich kenne genug Leute, denen es gut tun würde ihre psychischen probleme zu beseitgen, nicht nur um ihrer Umwelt einen Gefallen zu tun. :D


    FAZIT.Also echte Rocker dürfen nur saufen, prügeln, Randalle schieben, Weiber flachlegen und dauercool sein??!!!Steht das in der Gute Rocker kommen in den Himmel, böse zum Therapeuten-Fibel? ;)

  • oh mann...das ist einfach nicht mehr das was ich mit metallica verbinde


    schade dass das alles so kommen musste

  • also zu langatmig finde ich den film nicht. meiner meinung nach ist der sogar recht gut gelungen.


    klar muss man sich im klaren darüber sein, dass es erstens eine doku ist und 2. eher für fans gedacht ist.
    jemand der nicht gerade fan ist bzw. metallica nicht gerade "näher" kennt, der wird mit dem film sowieso nichts anfangen können und sich 2,5 stunden langweilen (es sei denn derjenige ist psychologiestudent)

  • bis auf den letzten kommentar gibts doch schon nen guten einblick in den film
    ich freu mich drauf den zu sehen


    diese woche im morgenmagazin auf ard/zdf war skom der kinotipp der woche ( der trailer wurde gezeigt )
    kommentar der ansagerin
    "auch wer diese musik haßt - wird diesen film lieben" :D

  • Zitat

    Original von sweetanger


    "auch wer diese musik haßt - wird diesen film lieben" :D


    kann ich mir aber irgendwie nicht vorstellen

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