Und noch schöner wird's! GORGOROTH beweisen, dass Black Metal stinkt. Als die Fans endlich in den nun völlig schwarz verhangenen Raum stürzen, betört sie nämlich der süßliche Geruch von achtzig Litern Schafsblut, welcher sich mit dem Rauch der Nebelmaschine mischt. Die Spannung wird langsam unerträglich, aber geduldig wartet die aufgeheizte Menge und vertreibt sich laut singend mit polnischen "Volksliedern" die Zeit, bis der Vorhang fällt.
Schuss! Und Feuer! Und oh weh! Hinter Stacheldraht, Fackeln und aufgespießten Schafsköpfen betreten Gaahl und seine bekennenden Nietzsche-Anhänger das Schlachtfeld Bühne. Zur Rechten, hinten und zur Linken flankieren insgesamt vier etwa drei Meter hohe Holzkreuze die Szene, an ein jedes gehangen ein blutüberströmter nackter Mensch, und zwar nach den Geschlechtsteilen zu urteilen zwei Männer und zwei Frauen. Einzig ihre Köpfe sind von schwarzen Kapuzen bedeckt. Ihnen zu Füßen liegen insgesamt 130 abgetrennte Schafsköpfe. Man stelle sich das Geblök auf der Schlachtbank vor... Das riecht nach Ärger!
Kaum haben GORGOROTH mit ihrem Opener 'Procreating Satan' die Schlacht eröffnet, fällt auch schon die Erste vom Kreuz. Das Mädchen kollabiert unter der Mischung aus Rauch, Blut, Schweiß und Kadaver und wird von der Bühne getragen. Aber GORGOROTH nehmen Opfer in Kauf und kämpfen weiter mit verzerrten Gitarren und heiserer Stimme.
Mel Gibson hätte es nicht besser machen können; in seiner "Passion Christi" spielt er ähnlich detailverliebt mit blutroter Ästhetik, fordert er von seinen Darstellern Leid bis aufs Äußerste. Hier hat die katholische Kirche nichts auszusetzen, im Gegenteil. So werden die nichts ahnenden Bewohner ganzer amerikanische Vororte von ihren Pastoren in diesen Film geschleppt. Endlich wissen amerikanische Bürger, was Sünde und Sühne bedeuten, wenn sie traumatisiert und in Tränen ausbrechend das Kino verlassen. Orthodoxe Katholiken loben die realistische und vielschichtige Darstellung des Lebensweges Jesu in Gibsons Werk. GORGOROTH hingegen verstoßen mit ihrer künstlerischen Darbietung gegen Artikel 196 im polnischen Gesetz zum Schutz religiöser Gefühle, in denen sich ein ahnungsloser Kameramann verletzt fühlt. Der ebenfalls nicht richtig informierte Studio-Manager Andrzej Jeziorek staunt nicht schlecht, als er sich nach der Show das Filmmaterial ansieht. Sofort ruft er die Polizei, welche die Bänder erst mal konfisziert. Die Veranstalter dieser zwei Tage vom Metal Mind Production-Team sowie Künstler, Manager und Journalisten wissen zu dieser Zeit noch nichts von rechtlichen Konsequenzen...
Als GORGOROTH am nächsten Tag schon wieder in Südamerika auf Tour sind, titeln polnische Tagesblätter wie die Gazeta Wyborcza oder Metro: "Szatan W Telewizji". Auf der ersten Seite ist der kopflose, blutüberströmte und nackte Frauenkörper am Kreuz zu sehen. Der Pressewirbel bewirkt neue Besucherrekorde auf der Homepage der Norweger, das Gästebuch wird überflutet. Sollte das DVD-Material jemals wieder frei gegeben werden, dürften GORGOROTH dank der Verkäufe bald in Ruhestand gehen. Den könnten sie aber auch vorzeitig in einem polnischen Gefängnis verbringen. Würden sie in Polen wegen der Verletzung religiöser Gefühle verurteilt, drohen ihnen fünf Jahre Freiheitsstrafe. Die norwegische Polizei ermittelt nun ebenfalls in dem Fall, in der Heimat drohen zwei Jahre Gefängnishaft. Das trifft sich gut, denn Gaahl muss sich im April sowieso mal wieder vor einem norwegischen Gericht wegen des Verdachts auf schwere Körperverletzung verteidigen.
Dabei wirkt der GORGOROTH-Sänger eigentlich ganz friedlich, wenn man mit ihm unter vier Augen spricht. Trotz Erschöpfung nach der Show sind seine Augen immer noch weit aufgerissen, es fällt schwer dem starren Blick standzuhalten. Es braucht ein wenig Zeit bis er sich traut umfangreicher zu erzählen. Kritisch geht er mit seiner künstlerischen Leistung ins Gericht. Er sei unzufrieden gewesen mit seiner Stimme, die stickige Luft habe ihm den Hals ausgetrocknet. Er finde es furchtbar, zu wissen, dass er eigentlich mehr leisten kann. Auch die Location gefällt ihm nicht, der Konzertraum und die Distanz zu den Fans seien viel zu groß. Er spiele viel lieber in kleineren Sälen, wo er mit den Leuten in der ersten Reihe Blickkontakt halten kann. Außerdem habe er sich die Models anders vorgestellt. Er zeigt aber Verständnis für die vom Kreuz Gefallene, die nach ihrer Auferstehung verwunderlicherweise gleich wieder auf die Bühne will. Die anderen drei Gekreuzigten sind nach der Show ebenfalls wohlauf. Schließlich wurden sie auch nach und während jedem Song mehrmals gefragt: "Are you OK?", worauf ein zufriedenes "OK" unter ihrer Kapuze hervortönte. Eine humanitäre Katastrophe gab es also nicht. Zur Symbolik der ganzen Aktion meint Gaahl, dass die Männer und Frauen Adam und Eva verkörpern sollten. Die aufgespießten Schafsköpfe seien als Analogie zum Lämmer-Motiv in der Bibel zu sehen. Er prangert damit die biblische Forderung an, dass sich gute Christen wie brave Lämmer verhalten sollen. Da hat er was dagegen; er fordert das Individuum in Jedem (Nietzsche lässt grüßen). Auf Vorwürfe wegen Tierquälerei entgegnet er, dass die Schafe sowieso geschlachtet werden sollten. Für die DVD wurden also keine Tiere extra getötet. Dennoch gibt es nun eine weitere Anklage wegen Verletzung des Tierschutzgesetzes. Übrigens, Gaahl ist bekennender Vegetarier!