Der letzte Tag des Jahres ist angebrochen und somit wird es wieder Zeit, zurückzublicken. Welche Bands haben 2023 mit ihren Alben überrascht, welche vielleicht gar enttäuscht?
Also: Los geht’s!
Meine liebsten Metal-/ Hard Rock Alben 2023 (Top 11)
01 – Graveyard - 6
„Das ist aber nicht Metal! Und Hard Rock auch nicht! Pfui!“
Ja, stimmt. Das ist kein Metal und auch kein Hard Rock. Ist mir aber wurscht. Denn Graveyard begeistern mich nun schon seit Ende September mit ihrem neuen Album, das auf den schlichten Namen „6“ hört. Und das muss ich einfach jedem mitteilen. Ist so ein innerer Drang. Aber Spaß beiseite: Graveyard klingen auf diesem Album ruhiger und nachdenklicher und wildern ganz großartig im (psychedelischen) Blues Rock der späten 60er und frühen 70er Jahre herum. Peter Green’s Fleetwood Mac, The Doors, The Rolling Stones, Cream, Pink Floyd – sie alle dürften Paten gestanden haben, als dieses Album eingespielt wurde. Ab und an schaut sogar mal ein Tom Waits um die Ecke. Graveyard wecken mit ihrem neuesten Werk auch ein wenig Assoziationen zu ihrem zweiten Album „Hisingen Blues“, mit dem ich sie kennengelernt habe. Dazu kommt ein Cover-Artwork, das entfernt an Led Zeppelin IV erinnert. Für manche mag’s zu ruhig sein, ich finde es großartig – mein Album des Jahres 2023.
Breathe In Breathe Out
02 – Sorcerer – Reign of the Reaper
„Ein Zauberer kommt nie zu spät, Frodo Beutlin, ebenso wenig zu früh. Er trifft genau dann ein, wenn er es beabsichtigt.“
Was Gandalf, der Graue, schon wusste, bevor es in Mittelerde drunter und drüber gegangen ist, haben sich dieses Mal auch „Sorcerer“ zu Herzen genommen. Denn nachdem ihr drittes Album („Lamenting of the Innocent“) im Spät-Frühling des Jahres 2020 erschienen ist (Sonnenschein und epischer Doom – das verträgt sich einfach nicht), hat man für das aktuelle Album den Herbst anvisiert. Und was soll ich sagen? Die dunkle Jahreszeit gehört zum Doom wie die Butter aufs Brot. Hatte „Lamenting“ noch ein wenig zu lange Songs, hat man sich beim neuesten Output nun auch eines Besseren besinnt und die Lieder ein wenig knapper und stringenter gehalten. Dass die Band die hohe Kunst des eingängigen Refrains perfekt beherrscht, ohne dabei in Pop-musikalische Gefilde abzurutschen, weiß ohnehin ein jeder, der die Herren schon einmal gehört hat. Und wer sie noch nicht gehört hat, sollte das schleunigst nachholen. Anders Engberg hat nämlich eine der besten Stimmen im ganzen Genre.
Morning Star
03 – Cirith Ungol – Dark Parade
Cirith Ungol veröffentlichen mit „Dark Parade“ ihr vermutlich letztes Album. Aber das strotzt wieder nur so vor tollen Riffs. Ewig schade, aber die werden halt auch nicht jünger. Und noch dazu ist Jim Barraza, der Lead Gitarrist, gleich nach der Veröffentlichung des Albums wegen gesundheitlicher Probleme (oder waren es doch monetäre Differenzen?) ausgestiegen, wie man liest. Also war’s das wohl. Das ändert aber nichts daran, dass „Dark Parade“ wieder ein super Album geworden ist, das nur ganz knapp den zweiten Platz in meinem Poll verpasst hat.
Looking Glass
04 – Sylosis – A Sign of Things to Come
Moderner Thrash Metal ist oft ein Reizwort für Leute, die sich in ihren Hörgewohnheiten auf die glorreichen 80er Jahre versteifen. Damit würde ihnen mit der neuen Sylosis aber eine ordentliche Abrissbirne entgehen. Manchmal hört man die eine oder andere Anleihe an Trivium, Machine Head oder Lamb of God aus den Songs heraus, aber die Band versteht es sehr gut, Thrash mit Metalcore und Melodic Death Metal zu vermischen. „A Sign of Things to Come“ ist ein großartiges Album geworden und hat richtig tolle Riffs und Songs zu bieten. Total unterbewertete Band.
Poison For The Lost
05 – Sulphur Aeon – Seven Crowns and Seven Seals
Fünf Jahre sind bereits wieder vergangen seit die Jungs von Sulphur Aeon ihren letzten Langspieler unter die Leute gebracht haben. Viel zu lange für eine so gute Band. „Seven Crowns and Seven Seals“ ist auch ohne Zweifel ihr bislang musikalischstes Album und verfügt über eine durchgehend überdurchschnittlich hohe Qualität. Allerdings fehlt der Scheibe der eine Hit, den alle Vorgängeralben gehabt haben, und damit (für mich) auch ein wenig der Fluss im Album. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Andere Bands würden für ein Album mit so gleichbleibend guten Liedern ihre Seelen an Cthulhu höchstpersönlich verschachern.
Hammer From The Howling Void
06 – Metallica – 72 Seasons
Die neue Metallica ist vermutlich mein meistgehörtes Album 2023 gewesen und ich habe meine Sicht der Dinge im entsprechenden Album-Thread schon sehr ausführlich dargelegt. Dennoch möchte ich wiederholen, dass mich „72 Seasons“ sehr zufrieden gestimmt hat. Müsste ich die drei Alben nach St. Anger allerdings in eine Reihenfolge bringen („Lulu“ lasse ich mal außen vor), würde die Scheibe aus heutiger Sicht auf dem letzten Platz landen. Ich weiß nicht, ob es Metallicas letztes Album gewesen ist, das wird die Zeit zeigen (es lösen sich ja immer mehr Bands auf – Slayer sind schon weg, Sepultura dann Ende 2024). Aber sollte es das letzte Album dieser legendären Band gewesen sein, könnte ich, denke ich, damit leben. Zumindest würden sie sich mit einem immer noch sehr guten Werk verabschieden.
You Must Burn!
07 – KK’s Priest – The Sinner Rides Again
KK Downing meldet sich wieder zurück mit einer Lehrstunde in Sachen Heavy Metal-Riffing. „The Sinner Rides Again“ ist vollgepackt mit den typischen Klängen, die man auch von Judas Priest erwarten könnte. Als Gründungsmitglied der Priester hat er deren Sound halt auch maßgeblich mitgeprägt, das hört man deutlich heraus. Allerdings fehlt’s auch ab und an ein wenig am Songwriting. Das haben wohl Glenn Tipton und Rob Halford früher in die richtigen Bahnen gelenkt. Nichtsdestotrotz ein tolles Album, das mir persönlich besser gefällt als das Debüt. Judas Priest müssen das auf ihrem nächsten Album, das im Frühjahr 2024 erscheinen soll, erst einmal besser hinkriegen.
Strike Of The Viper
08 – Legion of the Damned – The Poison Chalice
Legion of the Damned sind wieder da – und das sogar mit einem zweiten Gitarristen. Man klingt auch tatsächlich eine Spur variabler als auf den Alben zuvor. Aber natürlich ist die Legion für ihre Dampfwalzen-Songs bekannt, die gnadenlos nach vorne marschieren, ohne Gefangene zu machen. Das ist auch hier wieder zum überwiegenden Teil der Fall, also keine Panik. „The Poison Chalice“ ist ein gutklassiges Album ohne Stinker, hat dafür aber einige Granaten im Arsenal.
Progressive Destructor
09 – Evile – The Unknown
Evile versuchen hier einen Spagat zu machen zwischen sehr ruhigen Songs und den typischen, rasanten Stücken, für die die Band bekannt ist. Das geht bedingt auf. Die Lieder an sich sind alle sehr gut, aber der Albumfluss wirkt ein wenig seltsam. Ol Drake, der nun (nach dem Ausstieg seines Bruders Matt) schon zum zweiten Mal den Gesang übernimmt, möchte sich diesbezüglich sichtlich weiterentwickeln, was ihm auch gut zu Gesicht steht. Allerdings kann das die Band tendenziell mehr ins Midtempo führen. Ob es das ist, was man wirklich will, wird die Zukunft weisen. Jedenfalls klingt man auf „The Unknown“ stark nach einer Mischung aus Black Album-Metallica und Testament in der Zeit von „Souls of Black“ und „The Ritual“. Aber mal ehrlich: Ich könnte mir wahrlich Schlimmeres vorstellen …
When Mortal Coils Shed
10 – Ahab – The Coral Tombs
Nach acht Jahren auf Tauchstation schicken heuer auch Ahab wieder mal ein Lebenszeichen aus den Untiefen der See nach oben. „The Coral Tombs“ vertont dabei Jules Vernes Klassiker „20.000 Meilen unter den Meeren“ gekonnt und wie gewohnt mit viel Wucht – nautischer Doom vom Besten und gemeinsam mit der neuen Sulphur Aeon das atmosphärische Highlight meiner Liste. Auch wenn der erste Song „Prof. Arronax‘ Descent Into the Vast Oceans“ sogar ein wenig im Black Metal wildert. Also: Kopfhörer auf, Augen zu und abtauchen in fremde Welten.
Ægri Somnia
11 – Angelus Apatrida – Aftermath
Nach dem großen Erfolg ihres selbstbetitelten Albums im Jahr 2021, schickt die Band aus Spanien heuer den Nachfolger ins Rennen – und verzettelt sich dabei ein wenig. Denn auf vier von zehn Songs hört man Gast-Beiträge, was für meinen Geschmack doch ein wenig zu viel ist. Auch wenn „Snobs“ mit Jamey Jasta von Hatebreed ziemlich fetzt. Aber was sie sich dabei gedacht haben, ein Lied mit einem Rapper namens „Sho-Hai“ (span. für schon high?) aufzunehmen, der während seines Einsatzes immer wieder Ächzer von sich gibt, als würde ihm etwas wehtun, entzieht sich meiner Logik. Alles in allem ist das Album nicht schlecht (und hat auch ein paar echte Granaten zu bieten), jedoch wäre halt deutlich mehr möglich gewesen – und das zieht meine Wertung nach unten. Bestünde das ganze Album aus Liedern wie dem, das ich hier verlinkt habe, wäre es wohl ein Anwärter aufs Treppchen. Aber gut, Geschmäcker sind ja verschieden.
To Whom It May Concern
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