Mir gefällt der Sound auch und das Album besitzt dadurch einen besonderen Charme, aber aus James' Aussage höre ich heraus, dass er eben nicht zufrieden ist. Wer das Rock Hard Sonderheft "Metallica" besitzt, kann es da auch deutlichst auf Seite 40 nachlesen. Ich schreib diese Passage für diejenigen ab, die die Ausgabe nicht haben:
"...and Justice for all" ist für die 80er Jahre das, was Tools "Aenima" für die 90er darstellt: ein anfangs gewöhnungsbedürftiges High-Tech Klanggebirge voller monolithischer Songs, innovativer Ideen und emotionaler Untiefen, mit dem die Musiker ihrer Zeit weit voraus sind - eine Einschätzung, die Metallica allerdings nur bedingt teilen:
LARS: "Das Album kann man nicht nebenher laufen lassen, dazu passiert einfach zu viel. Du musst dich darauf konzentrieren, sonst klingt es nur wie eine Anhäufung von Riffs. Wir gingen zum ersten Mal keinerlei Kompromisse ein, sowohl was die Songs als auch was die Länge der Scheibe angeht. Und wir wollten einen Sound, der dir direkt ins Gesicht springt. Jedes Instrument sollte aus den Boxen gehüpft kommen und dir erstmal ein paar Ohrfeigen verpassen. Wir merkten, dass wir viel härter klangen, wenn wir auf Hall-Effekte verzichteten, und im Gegensatz zu "Justice..." kam uns "Master of Puppets" damals wie eine schlappe Nudel vor.
Leider sind die Songs aber im Nachhinein betrachtet viel zu vertrackt und lang. Damals wollten wir sie exakt so haben, doch schon als wir aus dem Studio herauskamen, gefiel uns das Album nicht mehr. Live nervte vor allem der Titeltrack, weil er extrem schwer zu spielen war und die Leute nach einigen Minuten anfingen zu gähnen. Für mich ist "Justice..." unser am wenigsten zeitloses Album, aber vieles gelang uns darauf auch wunderbar, Prog-Bands wie Emerson, Lake & Palmer wären stolz auf solche Arrangements gewesen."
KIRK: "Ich liebe die Songs, aber sie klingen unkonventionell, und zwar nicht im positiven Sinne. Ihnen fehlt jeglicher Groove."
JAMES: "Das mit dem In-die-Fresse-Sound funktionierte nicht. Die Drums klingen fürchterlich, sie haben keinerlei Tiefe. Lars feilte manchmal stundenlang an Feinheiten herum, die außer ihm niemand hören konnte. Keine Ahnung, was uns damals geritten hat. Die Produktion ist schlicht und ergreifend beschissen, und wir versuchten viel zu anspruchsvollen Scheiß einzubauen. Die Riffs sind stark, aber aus ihnen hätte man locker noch zwölf Songs mehr machen können."
FLEMMING RASMUSSEN: ""Justice..." klingt vollkommen trocken, absolut direkt, komplett ohne Reverb - dünn, aber hart und laut. Ich hätte die Songs lieber ähnlich wie "Ride the Lightning" abgemischt, aber sie wollten diesen Sound exakt so haben. Zwei, drei Monate nach den Aufnahmen wussten sie, dass sie mit ihrem Konzept ein wenig übers Ziel hinausgeschossen waren."
JASON: " Die anderen standen mir damals immer noch sehr reserviert gegenüber, und ich war im Studio völlig auf mich allein gestellt. Während sie wochenlang an ihren Parts herumbastelten, musste ich mit meinem spartanischen Bühnen-Equipment drei bis vier Songs pro Tag einspielen. Ich beherrschte alle Nummern im Schlaf, aber sie gaben sich keine Mühe, mir einen guten Sound zu verpassen, und niemand sagte mir, ob meine Aufnahmen okay waren oder nicht. Ich spielte einfach und ging anschließend wieder nach Hause. James und Lars ließen dann im Mix meinen Bass runterdrehen, bis er kaum noch zu hören war. Stattdessen machten sie Blödsinn wie die Bass-Drum so fett aufzublasen, bis sie nur noch perkussiv klang und die Lücken in den tiefen Frequenzen komplett ausfüllte. Als ich das Endresultat hörte, war ich total enttäuscht. Wir hatten aus allen Rohren gefeuert, und was dabei herauskam, war nur Scheiße."