Mich würde mal interessieren was St. Anger in der deutschen Musik Presse so für Kritiken bekommen hat. Wäre nett, wenn ihr hier die Artikel posten könntet. Ich fange mal mit der Visions an:
VISIONS 127 07. Juli 2003
Weder retro noch anbiedernd, nicht halbstark oder kalkuliert. Und auch kein Metal. Das ist ernsthaft großartige, progressive, harte Musik.
Einen Psychiater hatten sie im Studio, Süchte haben sie besiegt und einer musste gehen, damit sie den direkten Weg wiederfinden. Ist es nicht absurd, dass das Opfer für die Freiheit Metallicas ausgerechnet der Mann ist, der immer nur genau das wollte? Jason Newsted wird zurecht weinen, wenn er hört, dass die verloren geglaubten Söhne so kompromisslos zu Werke gehen, wie das zuletzt bei ihrem hingekotzten Thrash-Debüt "Kill Em All" der Fall war. Und dabei völlig anders klingen. Ein undefinierbarer Sound zwischen Garage, Metal, Rock, Industrial und Hardcore-Mittelfinger-Attitüde wächst aus schmutzigen Gitarren, einem hochmotiviertem Sänger und einem Drummer, der völlig anders und schneller und besser als je zuvor spielt. Songs kann man aus diesem rau produzierten Ohrenterror nicht hervorheben, denn die unvorhersehbaren Arrangements sind mit unzählbaren Rythmen und Riffs sowie epischer Länge so zäh wie rohes Fleisch. St Anger ist polarisierender als Load und ReLoad, denn dieses mal werden sowohl die in den Achtziegern Hängengebliebenen als auch die "Frisösen Else Matters"- Fraktion kotzen. Weil sie das erste mal wirklich überfordert sind von ihrer Band. Das hier ist mehr als die hingerotzte Platte, die viele gerne hören wollen. Metallica haben aus Erfahrung und beispielhaft konsequenter Kreativität neue Musik in Form eines progressiven, in sich perfekten, harten Albums geschaffen. Vielleicht wäre "The Unnamed Feeling" doch der passende Titlsong gewesen. Und ja: Diese Qualität würde man auch erkennen, wenn es eine Newcomerband wäre. Denn das hier lebt, pulsiert, ist echt, regt auf, ist sogar Popkultur. Auch wenn sie nie mehr ein cooles Albumcover hinbekommen werden - fest steht: Alles geht bei einer Band, die nun ihrer Zeit wieder voraus ist. "Open mind for a different view, and nothing else matters." Jetzt können sie sich auflösen.
Jochen Schliemann