[review]http://www.fearnet.com/eol_ima…2010516/A7X_Nightmare.jpg[/review]Genre:
Heavy Metal, Hard Rock
Länge:
66:49 min
Tracklist:
1. Nightmare 2. Welcome To The Family 3. Danger LIne 4. Buried Alive 5. Natural Born Killer 6. So Far Away 7. God Hates Us 8. Victim 9. Tonight The World Dies 10. Fiction 11. Save Me
Anspieltipps:
Nightmare (typischer A7X-Song), Danger Line, Fiction, Save Me, (3 verschiedene, aber typische The-Rev-Songs), Buried Alive
Zu empfehlen für Fans von:
Metallica, Guns N'Roses, "anderer" Metal- bzw. Hard-Rock-Musik
Review:
Für Avenged Sevenfold war das letzte halbe Jahr wohl ein Alptraum. Drummer, Songwriter und vor allem Freund Jimmy "The Rev" Sullivan starb überraschend Ende Dezember 2009. Die Band war zu diesem Zeitpunkt gerade mit den Vorbereitungen zur Aufnahme ihres neuen Albums beschäftigt. Nach einer kurzen Pause über Jahresbeginn sollten die Aufnahmen begonnen werden, welche ihr bereits fertig geschriebenes Album in hörbare Form bringen würde. Dies alles wurde durch den Schicksalsschlag natürlich Makulatur und über dem Verbleib ihrer Kompositionen schwebten riesige Fragezeichen. Nach einer längeren Trauerphase und Unklarheit darüber, ob die Band nicht sofort aufgelöst werden sollte, wurde allen jedoch klar, daß dieses Material das letzte künstlerische Zeugnis ihres Drummers darstellte und es deswegen verdiente, so authentisch wie möglich aufgenommen zu werden. Die Frage nach dem Drummer wurde mit Mike Portnoy von Dream Theater beantwortet, welchem aufgetragen wurde, so nah wie möglich an den Drumparts des Revs zu bleiben. Das ursprüngliche lyrische Vorhaben eines Konzeptalbums wurde zwar verworfen, doch gibt es im Album natürlich den roten Faden der Verarbeitung und des Umgangs mit dem Tod von Jimmy.
Soviel zur Vorgeschichte und zur Einordnung des Albums. In den Wochen vor dem Release gab es von den Bandmitgliedern oft zu hören, daß dieses Album ihr wohl wichtigstes sei und "von keinem kopiert werden könnte". Obwohl dies erstmal nach typischer Eigenpromotion klingt, wie man sie so oft von Bands vor der Veröffentlichung von Alben hört, kann Verständnis für diese Aussagen aufgebracht werden. Denn emotional steht dieses Album sicherlich für die turbulenteste und schlimmste Phase der Band. Allerdings sollte man sich natürlich nicht verleiten lassen, diese Meinungen einfach so zu schlucken, denn gerade aufgrund der Emotionalität der Bandmitglieder ist Vorsicht angebracht. Ähnliche Sätze hörte man bspw. auch 2003 vor dem Erscheinen von "St. Anger" von Metallica. Viel geblieben von den großen Worten ist jedoch nicht. Trotzdem waren diese teilweise verständlich, da die Band im Vorfeld kurz vor dem Auseinanderfallen war und auch persönliche Probleme durchstehen musste.
Das Album verdient (wie auch die beiden vorherigen Avenged-Sevenfold-Alben) Respekt, weil die Band neben typischen Trademarks auch neue Tricks aus dem Hut zaubert, es verdient Respekt, weil sie sowieso schon einen "Lone Gunman"-Status in der Branche hat und kompromißlos an diesem festhält und natürlich verdient es Respekt, weil die Musik wieder mal gleichzeitig "anders", aber nie gewollt, dafür aber gekonnt klingt. Diese Platte ist sicherlich Avenged Sevenfold's ausladendste und ambitionierteste, in Teilen äußerst düster im Ton und pathetisch bzw. emotional aufgeladen im Inhalt. Allerdings ist "Nightmare" nicht das Magnus Opum der Band (auch wenn diese das derzeit naturgemäß anders sieht). Diese Rolle fällt auch keinem anderen der beiden Vorgängeralben zu, denn alle drei sind auf hohem Niveau, aber leider ein wenig inkonsistent.
Die Schwächen von "Nightmare" sind in der zweiten Hälfte des Albums zu finden. Ein zu großes Augenmerk auf ruhige Songs, welche sich ohne großartige Melodie dahinziehen, bedeuten (wie in einem anderen Review schon angemerkt) zum ersten Mal in Teilen Langeweile auf einem A7X-Album. Delinquent Nr. 1 ist "Victim", welches mit anfänglichem weiblichem Ausdrucksgesang eine schöne Reminiszenz an "Pink Floyds" "The Great Gig In The Sky" liefert, bald darauf bis auf die Verwendung von einem Moll- und Dur-Akkord des gleichen Grundtons (und auch das ist nur für Musiktheoretiker interessant) leider nicht mehr viel zu bieten hat. Ganz im Gegenteil, der Song zieht sich auch noch über 7 Minuten. In die gleiche Kerbe schlägt "Tonight The World Dies", welches insgesamt aber deutlich besser gelungen ist. Kürzere Spielzeit und der kraftvolle Gesang von M. Shadows im Refrain gleichen die Melodiearmut und die wenig spektakuläre Strophe wieder aus. Die wohl beste der Balladen des Albums ist "So Far Away". Zwar kommt der Song nicht an frühere Werke wie "Seize The Day" oder "Gunslinger" heran, aber man fühlt vor allem im zweiten Teil, daß hier alles von Herzen kommt und nach einigen Durchgängen gefällt der Song immer mehr. Da verzeiht man dann auch schwülstige Textzeilen wie "How Do I Live Without The Ones I Love?". Solchen nicht besonders hochklassigen Pathos findet man auf dem Album leider öfters ("House Full Of Roses/ A Letter On The Stairs").
Insgesamt ist dieses Album auch bezüglich Melodien nicht mehr ganz so stark wie vorherige, vor allem auch nicht mehr so ausgeflippt. Avenged Sevenfold sind deutlich ernster geworden, manche haben gesagt, sie sind erwachsen geworden. Aber A7X wären nicht A7X, wenn sie nicht doch wieder öfters kitschige Tonfolgen in hartes Gewand kleiden und dabei phänomenal klingen. Zwei gute Beispiele dafür sind "Welcome To The Family" und "Danger Line". Ersteres hat einen fast schon abartig poppig klingenden Refrain. Leider oder zum Glück (je nach eigenem Gusto) ertappt man sich später dabei, diese Stelle geil zu finden. "Danger Line" ist im Refrain zwar nicht poppig, aber dafür A7X-typisch mehrstimmig. Auch hier muß man erstmal schlucken und fragt sich, ob das eigentlich so geht, wie die das machen. Relativ schnell wird klar, daß diese Frage eindeutig bejaht werden muß und der Song wird zu einem vorläufigen Favoriten (als dritter Song). Dem Titeltrack, gleichzeitig Eröffnungssong, gebührt diese Ehre erstmal noch nicht, denn "Nightmare" hätte eigentlich auch auf das Vorgängeralbum gepasst. Ein guter Song, welcher die Essenz der Band darstellt, aber an sich nichts besonderes. Mit mehrmaligem Hören bessert sich der Eindruck, so ganz umgehauen wird man von dem Song jedoch nie.
Besser als "Nightmare" ist "Buried Alive". Dieser erinnert vor allem im zweiten Teil stark an Metallica, zeichnet sich aber durch ein geschmackvolles Intro und (später) schöne Scream-Einlagen von Shadows aus. Obwohl eher untypisch für die Gruppe und dem Wesen nach eine typische "Powerballade", merkt man sich den Song als weiteren Höhepunkt. Dies liegt zum einen am machtvollen Refrain, welcher ganz A7X-untypisch ohne Solo-Gitarrenbegleitung oder Hintergrundgesang auskommt. Weiterhin punktet wie schon erwähnt die Coda durch Aggressivität und Zielstrebigkeit. Insgesamt wirken manche Songs ein wenig leer (zumindest für Avenged-Sevenfold-Maßstäbe), wenn "nur" Gitarrenriffs (keine Melodien), Bass und Drums zu hören sind. Man ist von der Band eben Hintergrundgesang, Klavierbegleitung, Chöre, Steichereinsätze und einschmeichelnde Gitarrenarpeggios gewohnt. Zum größten Teil gewöhnt man sich daran allerdings. Einen Song wie "God Hates Us" hätten einige dieser Zutaten allerdings gutgetan. Zugegeben, die Band wollte einen kompromißlosen harten Song auf das Album bringen, wie sie ihn schon Jahre nicht mehr geschrieben hatten. Doch dabei vergessen sie, daß gerade "City Of Evil" den Durchbruch brachte und sie unverwechselbar machte. Dieser Song, auch wenn er (vielleicht) die Wut auf Gott, welcher ihnen ihren "Bruder" nahm, ausdrücken soll, könnte von jeder beliebigen Metalcore-Band stammen und wirkt an manchen Stellen (wie dem Breakdown mit dem Cookie-Monster-Gesang) schon fast unfreiwillig komisch. Ein paar von den "typischen" A7X-Ingredenzien hätten da vielleicht Wunder gewirkt, ohne dem Song von seiner Härte zu nehmen. Aber nun ja, es ist nur ein Song unter vielen anderen.
Das Album, welches den Abschied vom Rev darstellt, endet mit zwei Songs, welche seinen Einfluß auf die Band und sein Songwriting- und Drumming-Talent verdeutlichen: "Fiction" und "Save Me". Ersteres eine schaurig schöne Pianoballade, welche als einziges Lied auf dem Album noch seine Stimme enthält und in einer Art Duett mit Matt Shadows gesungen wird. Auch die Stimme des Drummers wird schwer vermisst werden, sie bildete einen guten Gegenpart zu Shadows' und war gut für Kontraste in den Songs geeignet.
Der Nachfolger von "A Little Piece Of Heaven" vom selbstbetitelten Album ist "Save Me", eine monströse, bizarre Komposition, welche einiges an Zeit zum Einhören benötigt. Vom Stil her vergleichbar mit "ALPOH" ist das Lied allerdings nicht. Die Atmosphäre ist wieder eine sehr düstere, eben alptraumhafte (vor allem verdeutlicht durch die intelligent eingesetzten kurzen Double-Bass-Gewitter in den ersten Minuten), fast ein Hilferuf ("Save Me!").
Diese zwei Songs, zusammen mit "Welcome To The Family" verdeutlichen das Talent des Revs, eigenständige, "andere" Songs zu schreiben. Melodien und ein Talent für interessante Songstrukturen sowie Furchtlosigkeit vor dem Brechen von Songwriting-Konventionen waren riesige Stärken von Jimmy Sullivan. Dies sogar in solch hohem Maße, daß man sich ernsthaft fragen muß, ob A7X nur noch annähernd dieselbe Band werden wie vor seinem Tod. War Jimmy die vom Songwriting her interessanteste Komponente der Band? Wie werden Avenged-Sevenfold-Songs der Zukunft klingen?
Das Album belohnt einen durch viele Songs, welche mit mehrmaligem Hören immer besser werden, sowie durch die vielen versteckten Details, welche zu entdecken überaus Spaß macht. Es ist verlockend, dieses Album das Vermächtnis des Revs zu nennen, aber auch die beiden erfolgreichen vorherigen Alben waren zu großen Teilen von ihm beeinflußt. War allerdings für außenstehende klar werden sollte, ist, welches außerordentliche Talent die Metal- und Musikwelt mit ihm verloren hat. Gerade in einer von Normen und Regeln bestimmten Metalszene, welche oft auf einem schmalen Grat zwischen völliger Melodienfeindseligkeit und 0815-Melodien aus der Konserve wandelt sowie alte Songstrukturen immer wieder neu aufwärmt. Er wird vermisst werden.
8/10 Punkte