[review]http://www.metallized.it/publi…nsioni/tool_lateralus.jpg[/review]Genre:
Progressive Metal
Länge:
79:03 min
Tracklist:
1. The Grudge 2. Eon Blue Apocalypse 3. The Patient 4. Mantra 5. Schism 6. Parabol 7. Parabola 8. Ticks & Leeches 9. Lateralus 10. Disposition 11. Reflection 12. Triad 13. Faaip De Oiad
Anspieltipps:
Schism, Lateralus, Reflection
Zu empfehlen für Fans von:
Tool, A Perfect Circle, Basslastiger Musik
Review:
Und es begab sich, daß sich die Götter des Rockolymps in allzu selbstgerechter Manier gerierten und die Klasse und das Feuer, das einst sie ausgezeichnet, nie wieder erreichten. Und siehe, obwohl es einige dieser Dinosaurier noch heute gibt, so wurden sie doch damals zu Scheinbildern ihrer selbst und zu Relikten, die völlig aus den Gedächtnissen der Menschen verschwanden. Attackiert von zwar minderwertigen, aber genauso notwendigen Bewegungen wie Punk oder Glam Rock gingen sie langsam aber sicher unter. Nun begab es sich, daß eine der Streitenden sogar eine ganze Armee hinter sich hatte, namentlich die Kiss Army. Dies waren loyale bis zum Tode kämpfende Anhänger von Kiss. Nun ging freilich auch Kiss langsam unter und die Geschichte ging weiter, ohne daß man von ihnen noch viel zählbares hörte. Doch wendet euer Haupt der neuen Massenbewegung zu, der Tool Army. Auch sie zeichnet sich durch übermäßige Loyalität aus, besitzt aber noch einige interessante andere Eigenschaften.
Und dies ist der Zeitpunkt, an dem wir wieder ernst werden wollen und die Fakten auf den Tisch legen wollen. Die Tool Army ist bei weitem schrecklicher als die Kiss Army. Während die Kiss-Fans einfach nur die Band als Entertainer verehrten und nicht viel überschwänglicher als andere Fans agierten, ist der harte Kern der Tool Army schon fast ein religiöser Kult, Zensur und Abkanzelung mitinbegriffen. Die Gründe dessen liegen ein wenig verstreut. Wenn wir alle Gründe einfach mal aufzählen, würde es so klingen: die nicht mit Worten zu beschreibende grenzenlose Selbstüberschätzung der Tool-Mitglieder selbst, ihr Hang, sich VIEL zu wichtig zu nehmen und die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben; Tools zugegebenermaßen vorher in diesem Klang noch nicht dagewesene Musik sowie der Gedanke der Fans, mit dem Hören und Vergöttern dieser Band sich selbst transzendental über alle anderen Musikhörer stellen zu können.
Insofern kann man nur raten, auf keinen Fall Interviews mit der Band zu lesen, in kein Tool-Forum zu schauen und sich wirklich ein eigenes Bild von der Band zu machen. Nun ist mir natürlich bewußt, daß dieses Review dem gerade gesagten gewissermaßen entgegenhandelt, doch es ist meine Meinung, ich betrachte mich nicht als Tool Army-Angehöriger (ja, ich hasse dieses nervige, penetrante Gehabe regelrecht) und trotzdem gebe ich „Lateralus“, daß ich hier reviewen will, 10 Punkte. Wohlgemerkt, 10 und nicht 11. Es ist ausgezeichnete Musik, doch das Ausfüllen einer musikalischen Nische ist für mich noch lange nicht ein Meisterwerk der modernen Kunst. Tool hat es im Prinzip leicht: In einer Zeit, in der der Mainstream qualitätsmäßiger immer angepasster und so schlechter wird, kann ihnen gerade auch wegen ihres Nischendaseins kein Gegner das Wasser reichen, eben weil es einfach keinen Herausforderer gibt. Das erklärt auch ein wenig das weit verbreitete Hochloben von Machwerken wie „10,000 Days“ in der Presse und den Kritiken. Es gibt halt so wenig Gruppen, die sich noch solche hochgesteckten Ziele stecken. Wenn dann der Vorgänger so grandios wie „Lateralus“ war und die Mitglieder selbst immer wieder betonen, wie sie die moderne Musik retten wollen, dann fällt es Kritikern ausnahmsweise mal leichter, ein Album über den grünen Klee zu loben, als wie üblich, es zu zerreißen, nur weil es alle gut finden und man sich so von den minderbemittelten Proletariern absetzen kann. Es ist „in“, Tool zu vergöttern.
Soweit mein kleiner Aufsatz zu Tools Status in der heutigen Musikwelt. Das musste einfach mal raus, außerdem macht es dem Leser trotz alle Anfangsmühen leichter, mein Review zu verstehen.
Wenn man das Vorgängeralbum „Aenima“ als ein sehr gutes Album bezeichnet, so kann man „Lateralus“ als die logische Fortsetzung betrachten. Das Album ist der Inbegriff von Kompaktheit. Wo „Aenima“ Songs hatte, bietet dieses Album fertige in sich geschlossene Kompositionen. Man könnte sagen, die Songs wirken deutlich „erwachsener“, wie als ob sie noch mal eine Stufe über dem schon sehr hohen Niveau von „Aenima“ liegen.
„The Grudge“ als Opener deutet schon einmal an, zu was Tool nun fähig sind, nämlich der völligen Assimilation des Basses als führendes, melodietragendes Instrument der Band. Das schwere, vertrackte Bass-Riff und der robotermäßige Gesang am Anfang münden in einen Ausbruch, der sich schnell wieder legt, nur um einer beruhigenden Basslinie Platz zu machen, von der aus sich der Song entwickelt und an Fahrt aufnimmt, bis er am Ende wieder dem Bassriff des Anfangs in die Arme läuft. „The Patient“ ist da schon etwas straighter und erinnert am meisten an einen typischen Rock-Song, obwohl auch er strukturell nicht gerade einfach zu erfassen ist. Von nun an gibt es für eine lange Zeit keine Ausfälle mehr. „Grudge“ und „Patient“ haben schon einen Vorgeschmack gegeben, aber erst jetzt fängt das Album an, seinen hohen Status zu untermauern. Los geht’s mit „Schism“, das nicht umsonst als Single ausgekoppelt wurde, denn es ist dermaßen melodiös, daß man es schon fast Tools Komplex-Prog-Pop-Song nennen muß. So müßte eigentlich jeder Tool-Song klingen, eine tolle Basslinie, schöne Dynamik-Wechsel, interessanter Text und vertrackte Strukturen (nichsdestotrotz). Weiter geht’s mit „Parabol(a)“. Als Song sicherlich gut, mit treibendem Groove und atmosphärischem Intro ausgestattet (wenn auch ein wenig zu lang) gefällt mir der Track hauptsächlich wegen dem spirituellen Text und dem kontrastreichen Gesang Keenans (Sänger und Hauptüberschätzer). Ohne jetzt zu viele Worte zu verlieren weiter zu „Ticks & Leeches“, welches als härtester Song betrachtet werden kann. Bestehend aus typischen Tool-Riffs und toller Rhythmusarbeit verleiht ihm wiedermal der Gesang die besondere Note. Gerüchten zufolge wird dieser Song live nicht mehr gespielt, weil sich Keenan bei einer Show die Stimme zerstört hat und erstmal nicht mehr weitersingen konnte. Verständlich, bei diesem Geschrei, was er da auf Platte gebannt hat. Die Energielevels sind jedenfalls so hoch wie nie zuvor. Der Titeltrack ist der nächste auf der Liste und diese Bezeichnung gebührt ihm ganz zurecht. Er fasst nämlich das Album wunderbar zusammen und bringt sogar noch neues hinzu. Dem ruhigen Beginn mit wiedermal tollem Spannungsaufbau folgt ein Accapella-Gesang Keenans (na gut, Schlagzeug ist dabei) und danach hebt der Song wieder in Tool-typischen Kompositionsstrukturen ab. Man muß schon sagen, arrangementmäßig sind sie schwer zu schlagen, die Jungs (umso unverständlicher die Ausfälle aus „10,000 Days“). Mit „Disposition“ legt die Band den ruhigsten Song vor. Getragen hauptsächlich vom schönen Bass-Gitarren-Zusammenspiel und der Gesangslinie „Watch The Weather Change“ (man glaubt es Keenan wirklich, eine herrlich philosphische Zeile) strahlt der Song eine spirituelle Energie ähnlich „Parabol(a)“ aus. Die Essenz dieser Toolschen Leitlinie ist aber „Reflection“. Vielmehr Klanglandschaft als Song, vielmehr kleines Kunstwerk als Komposition ist dieses Kleinod neben „Schism“ der Höhepunkt des Albums. Man muß es gehört haben, Drummer Danny Carey hat anscheinend vier Arme, so komplex klingt die Perkussion hier. Der sparsame Einsatz einer Violine und von Keyboards reichen aus um den Song so perfekt klingen zu lassen. „Triad“ klingt zwar auch wieder gut, doch ist es meiner Ansicht nach hinter „Reflection“ verschwendet. Zu guter Letzt muß Tool natürlich noch mal die Intellektuellen-Progrock-Keule rausholen und mit „Faaip de Oiad“ nochmal die Verschwörungstheoretikerspinner unter seinen Fans zufrieden stellen. Das hätte das Album nicht nötig gehabt. Eine so gute Mischung aus Energie und (zum letzten Mal) Spiritualität hat man selten gehört, da mußte dieses nervtötende Stück nicht noch drauf. Aber Tool haben halt auch ein großes Ego und glauben anscheinend wirklich an die Sachen, die sie selbst so erzählen.
Aber wie gesagt, das Album verdient seine 10 Punkte voll und ganz, manchen fehlt vielleicht ein Song, der auch atmosphärisch und kompositorisch ein wenig heraussticht. Doch die unglaubliche Kompaktheit diese Albums macht das locker wett.
10/10 Punkte
Bandhomepage
http://www.toolband.com/